Smarte Idee: Ein neu entwickeltes Garn könnte künftig Strom aus unserer Körperwärme gewinnen. Möglich wird dies durch eine spezielle Beschichtung aus leitfähigen Polymeren, die zusammen als thermoelektrische Generatoren agieren. Die Leistung eines Stoffstücks aus diesem Garn könnte bereits ausreichen, um kleine Sensoren anzutreiben. Und sogar das Waschen in der Waschmaschine übersteht das neue Elektrothermo-Textil, wie Tests ergaben.
Smarte Kleider machen vielleicht nicht direkt smarte Leute, doch nützlich sind Jacken, Pullover oder Hosen mit eingebauter Elektronik allemal: Beispielsweise können sie dank eingebauter LEDs im Dunkeln leuchten, mit Sensoren die Aktivität ihrer Nutzer tracken oder giftige Gase in der Umgebung erkennen. Erste Prototypen solcher smarten Textilien können selbst Strom erzeugen, beispielsweise anhand von ultradünnen Solarzellen, die sich auf die Kleidung drucken lassen.
Ein anderer Ansatz für die stromerzeugenden Textilien sind thermoelektrische Stoffe. Sie nutzen den Temperaturunterschied zwischen der warmen Körpertemperatur und der kälteren Umgebungstemperatur, um Strom zu erzeugen. Als Leiter dienen beispielsweise auf den Faden gedruckte, leitfähige Polymere.
Neue Elektronenleiter für Thermotextilien
Das Problem jedoch: Damit polymerbasierte Thermoelektrika funktionieren, müssen sie sowohl Elektronen als auch positiv geladene Elektronenlöcher – auch als Defektelektronen bezeichnet – transportieren können. Defektelektronenleitende Beschichtungen, die sich in Textilien integrieren lassen, existieren zwar schon. Doch es mangelt an effizient elektronenleitenden Polymeren für thermoelektrische Kleidung.
„Wir haben nun das fehlende Puzzlestück gefunden, um einen optimalen Faden herzustellen – eine Art Polymer, das kürzlich entdeckt wurde“, berichtet Erstautorin Mariavittoria Craighero von der Chalmers Universität für Technologie. Es handelt sich dabei um ein elektronenleitendes Material namens PBFDO, dessen chemische Struktur es außerdem flexibel, leicht und gut an Textilien anpassbar macht.
Polymer-Seidengarn im Test
Craighero und ihr Team haben nun untersucht, wie gut sich dieses Polymer für smarte Textilien eignet. Dafür beschichteten sie einen Seidenfaden mit PBFDO und ermittelten anschließend dessen kurz- und langfristige elektrische Leitfähigkeit. In den Tests zeigte das polymerbeschichtete Seidengarn eine elektrische Leitfähigkeit von 13 Siemens pro Zentimeter. Für die thermoelektrische Leistung ermittelte das Team einen Wert von 0,46 Mikrowatt pro Quadratmeter und Kelvin zum Quadrat.
Um die Praxistauglichkeit des Fadens zu bestimmen, lagerten die Forschenden das PBFDO-Garn mehrere Monate lang bei Raumtemperatur und wuschen es mehrmals hintereinander in der Waschmaschine. Das Ergebnis: Selbst nach 14 Monaten der Lagerung hatte sich das Garn kaum verändert. Craighero und ihre Kollegen schätzen, dass es auch nach über drei Jahren voraussichtlich nur die Hälfte seiner Leitfähigkeit verlieren würde.
Zudem scheint die Beschichtung halbwegs waschmaschinenresistent zu sein: „Nach sieben Wäschen behielt der Faden zwei Drittel seiner leitenden Eigenschaften. Das ist ein gutes Ergebnis, obwohl es erheblich verbessert werden muss, um kommerziell interessant zu werden“, so Craighero.
Garnkombi als Stromlieferant
Im nächsten Schritt testeten die Forscher die Stromerzeugung durch ein thermoelektrisches Textil aus diesem Garn. Sie beschichteten dafür einen Teil des Seidengarns mit dem elektronenleitenden PBFDO, den anderen Teil hingegen mit dem defektelektronenleitenden Polymer PEDOT:PSS. Mit diesen Fäden nähten sie vier mal vier Quadrate in ein Stück Textil, wobei sie für die Hälfte der Quadrate den PBFDO- und für die andere Hälfte den PEDOT:PSS-Faden nutzten. Mit einem Silberlack verbanden sie die Polymere.
Die Forscher platzierten den Stoff dann zwischen einer heißen und einer kalten Oberfläche und ermittelten die resultierende Thermospannung. Bei Temperaturunterschieden von etwa 30 Kelvin generierte das Textil etwa eine Spannung von sechs Millivolt. Die maximale Leistung lag bei rund 0,67 Mikrowatt und die Energiedichte bei rund 22 Nanowatt pro Quadratzentimeter. „Das wäre ausreichend, um beispielsweise elektrochemische Sensoren für physiologische Signale anzutreiben“, erklären Craighero und ihre Kollegen.
Thermotextilien als Ladestation für Elektronik?
Zwar musste das Thermomaterial im Labor noch zeitaufwändig von Hand hergestellt und eingenäht werden, doch dem Team zufolge wäre es möglich, einen automatisierten Prozess zu entwickeln und die Produktion so auch auf einen großen Maßstab zu skalieren. In Kombination mit einem Spannungswandler könnte ein solcher Stoff mit Polymerfäden dann beispielsweise tragbare Elektronik über einen USB-Anschluss aufladen.
„Es gibt fantastische Möglichkeiten in thermoelektrischen Textilien und diese Forschung kann der Gesellschaft von großem Nutzen sein“, resümiert Seniorautor Christian Müller von der Chalmers Universität für Technologie. (Advanced Science, 2024; doi: 10.1002/advs.202406770)
Quelle: Chalmers University of Technology, Göteborg